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Aus der Leonberger Zeitung vom 28.08.2003:

Bezirksnotare werden mit der Privatisierung nicht länger "weltlicher Seelsorger der Gemeinde"sein

Wer ein Haus verkaufen will, lässt sich den Besitzerwechsel notariell beurkunden. Mit der Urkunde geht er zum Grundbuchamt. Bisher hat er beides meist bei derselben Person erledigt.Mit der Privatisierung der Notariate soll sich das ändern.

Bezirksnotariate sind in Württemberg am häufigsten verbreitet. 234 gibt es davon. Ihre Einrichtung ist historisch gewachsen. Notare, die dort arbeiten, sind Beamte des Landes. Sie beurkunden und bieten notarielle Beratungen an - erklären etwa, wie ein Testament aussehen muss. Sie sind aber gleichzeitig ebenso als Vormundschaftsrichter und Nachlassrichter tätig, wie sie für das Grundbuchamt zuständig sind.

Von Franziska Kleiner

Bezirksnotare sind "Exoten'' in der deutschen, ja selbst europäischen Notariatslandschaft, meint Notar Siegfried Schneider vom Bezirksnotariat in der Leonberger Bahnhofstraße. Das Notariatswesen in Württemberg ist bisher so zersplittert wie sonst nirgendwo in Deutschland. Es gibt hier - neben Portugal - das einzige staatliche Notariat in Europa. Neben den Anwaltsnotaren - Rechtsanwalt im Hauptberuf, Notar im Nebenberuf - gibt es kaum freischaffende Notare: 27 in Württemberg. Ihnen stehen 650 Bezirksnotare und ebenso vom Land besoldete Notarvertreter gegenüber.

Im Unterschied zu den Bezirksnotaren üben die freien Notare keine richterlichen Tätigkeiten im Bereich des Vormundschafts- und Nachlassgerichts aus, sie sind auch nicht für das Grundbuchamt zuständig. Sie konzentrieren sich allein auf die notariellen Dienstleistungen: Sie beraten und beurkunden, etwa den Besitzerwechsel bei einem Hausverkauf, das Testament der Mutter, die das Erbe unter ihren Kindern geregelt wissen will. Beurkundung und Beratung machen bei Schneider etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit aus.

Die freien Notare aber sollen künftig die Notariatslandschaft auch im Südwesten prägen, so die Idee der Landesjustizministerin Corinna Werwigk-Hertneck (FDP). Und wer im Grundbuch Eintragungen wünscht oder wer einen Sterbefall in der Familie hat, geht zur Testamentseröffnung nicht mehr zum ortsansässigen Notar. Er muss künftig zum Amtsgericht. Die Synergieeffekte, die sich bisher ergeben, wären nicht mehr vorhanden, glaubt Schneider.

An den Amtsgerichten sollen die gerichtlichen Dienste der Notare nach dem Willen der Landesjustizministerin künftig angesiedelt werden. Ein anderes Beispiel für die Veränderung: Die Stadt teilt den Tod eines Bürgers mit. Kinder hinterlässt der Verstorbene laut Familienbuch nicht. Gibt es dennoch Erben, andere Verwandte? Der Notar als Nachlassrichter kümmert sich darum. Künftig würde diese Suche das Gericht übernehmen.

Hintergrund der Überlegungen auf Landesebene sind finanzieller Art: Die Privatisierung der Notariate würde den Landeshaushalt in den kommenden 30 Jahren um insgesamt rund eine halbe Milliarde Euro an Personalkosten entlasten, wie es in einer Pressemitteilung des Landes heißt.

Die Leonberger Notarvertreterin Barbara Haußmann, Mitglied im Vorstand des Württembergischen Notarvereins, hält das für eine "Milchmädchenrechnung''. Sie sieht wohl, dass sich das Land künftig vor allem die Pensionslasten für die Landesbeamten sparen möchte. Doch sie fragt auch danach, wer die bei den Gerichten zusätzlich anfallende Arbeit erledigen soll. Hier bräuchte es zusätzliches Personal, das in Staatsdiensten stünde und vom Land besoldet würde. Barbara Haußmann ist Notarvertreterin - die Beförderung zum Notar steht noch aus. Berufserfahrung und Bedarf nach der Landesplanung sind dafür allerdings Voraussetzung. Als Notarvertreterin lernt sie die Tätigkeit an verschiedenen Orten kennen. Bevor sie im Mai nach Leonberg kam, war sie in Filderstadt tätig.

Sollten nun die Notariate in Württemberg privatisiert werden, könnte sie sich als Notarvertreterin nicht selbstständig machen. Ihr bliebe nur die Möglichkeit, die gerichtlichen Dienste beim Amtsgericht zu übernehmen oder in die freie Wirtschaft zu wechseln.

Anders sieht das bei Siegfried Schneider aus. Der 41-Jährige arbeitet seit fünf Jahren in Leonberg, leitet das Notariat IV und ist zusammen mit drei Notaren, einer Notarin, einer Notarvertreterin und deren Kollegin Barbara Haußmann für Leonberg, seine Teilgemeinden und für Rutesheim zuständig. Wenn die Privatisierung beschlossene Sache ist, so Schneider, dann zieht er es vor, sich selbstständig zu machen. Nicht, dass er die gerichtlichen Dienste nicht mag. Im Gegenteil: Grundbuchangelegenheiten mache er gerne, sagt er von sich selbst. Dabei ist die eigentliche Beurkundung der neuen Besitzverhältnisse ein Geschäft, das am wenigsten Zeit in Anspruch nimmt.

Vielmehr gehen den Beurkundungen zahlreiche Prüfungen formaler wie inhaltlicher Art voraus:Ist derjenige, der als Verkäufer auftritt auch tatsächlich der Besitzer? Sind jene Unterlagen, die beglaubigt vorgelegt werden müssen, tatsächlich auch mit Stempel und Unterschrift eines Amtes versehen, oder sind es lediglich Kopien? Ist die Prüfung abgeschlossen, ist der Vertrag mit der Unterschrift besiegelt, bleibt noch die Eintragung im Grundbuch. Für Schneider derzeit kein größeres Problem, da das Grundbuchamt im Haus ist.Er macht die Eintragung gleich selbst, wenn die Angestellten nicht dazukommen.

Schneider könnte sich vorstellen, freiberuflich tätig zu werden: "Ich bin für mich, mein Büro, meine Arbeit selbst verantwortlich", umschreibt er seine mögliche künftige Tätigkeit. Er beschränke sich als Freier Notar auf Beurkundung und notarielle Beratung. Einnahmen erziele er aus beidem.

Während er als Landesbeamter bisher vom Land bezahlt wird und außerdem einen kleinen Teil bei Beurkundungen verdient, bekäme er dann bei den Beurkundungen den gesamten Betrag, der landeseinheitlich nach dem beurkundeten Wert berechnet wird. Damit der jetzige Bezirksnotar als Freier Notar genug zum Leben verdient, werden sich die Zuständigkeitsbezirke vergrößern. So sehen es die Planungen vor: Ein Notar wäre zuständig für 30 000 Einwohner. Bezogen auf Leonberg und Rutesheim hieße das, dass statt der bisher sechs Notare nur zwei benötigt würden. Die Stellen würden weiterhin vom Justizministerium vergeben. In Leonberg mache das für die Bürger keinen so großen Unterschied zur jetzigen Situation. Schließlich ist der Weg vom Notar zum Amtsgericht im Schlosshof nicht allzu weit. Anders stellte sich die Situation für Bürger etwa in Weissach dar: "Dort wird es mit Sicherheit kein Notariat mehr geben'', so Schneider. Die Einwohnerzahl sie schlicht zu gering. Die Weissacher und Flachter müssten künftig etwa nach Weil der Stadt zum Notar, um anschließend in Leonberg beim Amtsgericht zum Beispiel die Eintragung im Grundbuch zu veranlassen.

Heute schon schickt Schneider manch potenziellen Kunden zu einem Kollegen, zum Beispiel zu einem Freien Notar nach Stuttgart, wenn es um die notariellen Dienstleistungen geht, wenn ein Kaufvertrag aufgesetzt werden muss. Während der Stuttgarter Kollege dies sofort in ein , zwei Tagen erledigt, muss der "Kunde'' bei Schneider derzeit bis Ende September warten. Wie lange die Wartezeiten mit noch weniger Notaren wird, steht in den Sternen. So ist der Bezirksnotar, aus historischer Sicht auch "weltlicher Seelsorger der Gemeinde", nicht mehr Bezugsperson für die Bürger im Ort.


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