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Stuttgarter Zeitung vom 11.09.2003:

Justizreform landet auf der langen Bank

CDU-Fraktion wird Entscheidung erneut verschieben - Millionenschweres Feilschen um Notariate

Zwei Themen beherrschen die Fraktionsklausuren von CDU und FDP: Sparrunde und Justizreform. Das kommt nicht von ungefähr. Während im Etat massiv gekürzt wird, stehen millionenschwere Einnahmen der Notariate in Frage.

Von Thomas Durchdenwald

Gestern hatte Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck ein Heimspiel. Die Liberale stellte der FDP-Fraktion auf der Klausurtagung in Badenweiler die Justizreform vor. Als Begleitmusik hatte FDP-Fraktionschef Ernst Pfister der "Badischen Zeitung" am Vortag bereits gesagt, dass die 105 Amtsgerichte erhalten bleiben - so wie es Werwigk-Hertneck immer propagierte. Pfister machte daraus einen Sieg der Ministerin und der FDP über Ministerpräsident Erwin Teufel und die CDU, die zunächst nicht abgeneigt waren, 30 kleine Amtsgerichte zu schließen. Auch das Justizressort sollte im Zuge der Verwaltungsreform "bluten", meinten CDU-Strategen. Das geringe Sparvolumen von einer Million Euro und die wenig verlockende Aussicht auf heftige lokale Proteste ließen sie aber einlenken.

Pfisters verkündeter Sieg in einer Sache, die kaum noch umstritten ist, soll wohl davon ablenken, dass den Liberalen in einem zentralen Punkt der Justizreform eine Niederlage droht. Bei der CDU besteht wenig Bereitschaft, die von Werwigk-Hertneck vorgeschlagene Privatisierung der Notariate zu unterstützen. Die Ministerin wird ihr Konzept heute der CDU-Fraktion in Donaueschingen vorstellen, viel Zustimmung wird sie nicht bekommen. Um die Kernbereiche der Justiz, also Gerichte, Staatsanwaltschaften und Haftanstalten, vom 20-prozentigen Kostenabbau der Verwaltungsreform zu verschonen, bastelte Werwigk-Hertneck ein Konzept, das die Privatisierung anderer Aufgaben vorsieht. Die Gerichtsvollzieher (527 Stellen) sollen künftig auf eigene Rechnung arbeiten, die Handelsregister (60 Stellen) aus staatlicher Obhut in die Verantwortung der Kammern kommen - beides muss aber der Bundesgesetzgeber beschließen. Ob es dazu kommt, ist fraglich. Aus eigener Verantwortung könnte das Land allein die Bewährungshilfe auf private Beine stellen, für die müssten aber weiterhin Zuschüsse bezahlt werden. "Das sind doch alles nur Sparplacebos", meinte gestern gallig ein Unionist.

Noch umstrittener bei den Christdemokraten ist die Privatisierung des komplizierten Notariatswesens im Südwesten, in dem bisher im badischen und württembergischen Landesteil unterschiedliche Regelungen gelten. 1000 Stellen will Werwigk-Hertneck sparen, ein Teil der heutigen Notare und ihres Personals, nach Ministeriumsangaben 1400 von 2400, soll an den Amtsgerichten die bisher von den Notaren erledigten Aufgaben (Grundbuchamt, Nachlass- und Vormundschaftssachen) bewältigen. Langfristig, so wirbt die Ministerin, spare das Land hohe Pensionslasten: 58 Millionen Euro im Jahr. Allerdings geht dem Land durch die Aufgabe der Notariate auch Geld verloren. Rund 56 Millionen Euro Gewinn spült das Notariatswesen jährlich in die Kasse. Allerdings sieht die Ministerin diese Einnahmen durch eine mögliche neue EU-Rechtsprechung als gefährdet an. Sie plädiert deshalb für ein einheitliches privatisiertes Notariat im ganzen Land.

Die Rechnung der Justizministerin wird indes angezweifelt. So rechnet der Gerlinger Amtsnotar Hans Ziegler vor, dass die Entlastung der Landeskasse durch die gestrichenen Stellen bei weitem nicht so hoch sei. Zudem müsse der Gewinn aus dem Notariatswesen höher sein, als er vom Ministerium angegeben werde. Ziegler geht von rund 90 Millionen Euro aus. "Das Justizministerium will das Geld verschenken, das Ministerpräsident Teufel durch die Verwaltungsreform einsparen möchte", meint der Notar "etwas flapsig", wie er selbst anmerkt.

Ganz ernsthaft übt auch die CDU-Fraktion deshalb Kritik. "So geht das nicht", meint ein Abgeordneter. Man könne nicht bei der Sparrunde um jeden Millionen-Euro-Betrag feilschen und bei der Justizreform gleichzeitig auf Einnahmen in zweistelliger Millionenhöhe verzichten. Die Ministerin hat bereits reagiert. Statt 2006 sollen die Notariate erst 2008 privatisiert werden. Und sie redet von 20 Millionen Euro jährlichen Einnahmen, die die privatisierten Notare dem Staat künftig Ablöse zahlen müssten. Ob dies ausreicht, die CDU zur Zustimmung zu bewegen, ist fraglich. Der Beschluss werde verschoben, hieß es gestern. Die Justizreform, mit der sich die Liberalen als Verwaltungsmodernisierer profilieren wollen, wird zum Spiel auf Zeit.

Aktualisiert: 11.09.2003, 05:05 Uhr


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