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Neues aus der Heilbronner Stimme vom 14.08.2003:

Justizreform

Amtsnotare schlagen Alarm: Land gibt das "goldene Kalb" ab

Von Carsten Friese

Sie machen Millionen-Gewinne für die klamme Kasse des Landes und sollen abgeschafft werden. "Überführung der staatlichen Amtsnotariate in die Freiberuflichkeit" heißt der Plan des Justizministeriums. " Was man hier abgeben will, ist das goldene Kalb", sagt Kurt Lampe, Dienstaufsichtsleiter des Notariats Heilbronn.

Es geht um eine absolute Ausnahmeerscheinung. Nur in Baden-Württemberg gibt's das staatliche Amtsnotariat, in allen anderen Bundesländern und fast überall im EU-Europa agieren freiberufliche Notare.

Nach Reformplänen von Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck soll ab 2008 die Notariatsstruktur im Ländle nach bayerisch-pfälzischem Vorbild aufgebaut und das Amtsnotariat begraben werden. Die normalen Vertrags- und Urkundendienste - genau der Teil, der gutes Geld bringt - sollen dann freie Notare leisten, Vormundschafts-, Nachlassgericht und Grundbuchamt auf die Amtsgerichte übergehen.

"Das Land kann es sich scheinbar leisten, auf Millionen Euro zu verzichten", können Kurt Lampe und Michael Rendle, Sprengelvorsitzender des Württembergischen Notarvereins Heilbronn, nur mit dem Kopf schütteln. Das Amtsnotariat verteidigen sie als äußerst effizientes System. Alle Dienste seien unter einem Dach, auch auf dem Land sei man flächendeckend vertreten - die Bürgernähe würde mit dem neuen System "kaputt gehen, die Wege für die Menschen um ein Vielfaches weiter", blickt Rendle voraus. Dass große Einsparungen drin seien, sieht Kurt Lampe nicht. Werde ein Großteil der Aufgaben an die Amtsgerichte verlagert, müssten dort neue Stellen geschaffen werden. Ihr Fazit: Es dürfe nicht so weit kommen, dass "sehenden Auges gute Strukturen zerstört werden".

Justizministeriumssprecher Dr. Andreas Singer verteidigt das Reformkonzept. Etwa 55 Millionen Euro Gewinn hätten die Amtsnotariate nach Abzug aller Personal- und Sachkosten dem Land in 2002 eingebracht, überschlägt er. Doch dies werde mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs langfristig gegen Null abschmelzen. Denn: Mit europäischem Recht sei die Praxis der Amtsnotariate nicht vereinbar. Bei staatlichen Trägern, die Gewinne erwirtschaften, habe der Gerichtshof "ein Problem". Staatliche Gebühren dürften nur kostendeckend sein, dies gewinne in der europäischen Rechtsprechung immer mehr an Bedeutung.

Hier rechtzeitig Übergangsfristen zu schaffen, ist ein Ziel der Reform. Zudem verweist Singer auf klare Einsparpotenziale. Rund 1000 Stellen von aktuell 2400 könne das Land durch den Übergang ins freie Notariat einsparen. In 26 Jahren macht dies laut Ministerium 500 Millionen Euro an Pensionen aus, die dann wegfielen.

Verlust an Bürgernähe durch den Übertrag der Grundbuch-, Nachlass- und Vormundschaftsaufgaben an die Amtsgerichte sieht der Justizsprecher nicht. Im größeren Bayern gebe es die Struktur ja bereits. Bayern habe 70 Amtsgerichte, Baden-Württemberg dagegen 108.

Mit eigenem Personal seien die Aufgaben der Notariate nicht zu bewältigen, äußert sich Heilbronns Amtsgerichts-Vizepräsident Christoph Hölscher zu den Plänen. "Das geht auch räumlich nicht, wir platzen jetzt schon aus allen Nähten." Man könne derzeit nicht abschätzen, was sich für die Amtsgerichte ändern würde. Die Frage sei aber, wie bürgernah solche Pläne seien.

"Keinen sachlichen Grund" kann Lauffens Bürgermeister Klaus-Peter Waldenberger in Reformplänen sehen, wenn die Menschen wegen jedem Dokument nach Heilbronn fahren müssten. Als schlimme Sache stuft er es ein, wenn die Grundbuchämter aus den Gemeinden abgezogen würden. Alles per Computer zu bewerkstelligen, hält er nicht für umsetzbar. "Sie müssen doch auch mal an die alten Akten ran."


Seltsam kampflos

Von Carsten Friese

Da schau her: Über 50 Millionen Euro Gewinn haben die 298 Amtsnotariate im Jahr 2002 dem Land eingebracht. Eine stattliche Summe ist durch die Gebühren ins Landessäckel geflossen. Selbstbedienung durch die Gebührenschraube? Der Ansatz ist falsch. Die Gebührensätze legt der Bund für ganz Deutschland fest, und außer in Baden-Württemberg gibt's eben in deutschen Landen überall freiberufliche Notariate. Hier gelten andere Grundsätze, doch dass freier Notar ein ganz einträglicher Beruf ist, kann man aus den Zahlen erschließen.

Jetzt soll der Sonderstatus Amtsnotariate im Ländle fallen, auch hier sollen Freiberufler zum Zug kommen. Eins macht allerdings stutzig: Quasi in vorauseilendem Gehorsam will das Justizministerium mit Blick auf die zu erwartende weitere EU-Rechtsprechung das System umkrempeln. Noch machen die Amtsnotariate gute Gewinne. Unternehmen würden mit allen Mitteln darum kämpfen, eine solche Einnahmequelle so lange wie möglich am Sprudeln zu halten. Von einem Kampf des Landes um diesen Einnahmeposten angesichts sonstiger Riesenlöcher im Haushalt ist nichts zu spüren. Auch wenn der Sonderstatus auf lange Sicht nicht zu halten sein dürfte: Wer so schnell klein beigibt, darf anderswo auch nicht über versiegende Finanzquellen jammern.


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